- Corona-Hilfe als Einkommen: Lockdown und Umsatzausfall in der Unterhaltsberechnung
Bund und Länder haben Unternehmer, die wegen Corona-Einschränkungen Umsatzausfälle hatten, mit verschiedenen finanziellen Hilfen unterstützt. Im Frühjahr 2020 gab es eine unbürokratische pauschale "Soforthilfe", später gab es "Neustarthilfe" und "Überbrückungshilfen". Wenn ein solcher Unternehmer Unterhaltspflichten hat, ist natürlich fraglich, ob diese Einnahmen ein "unterhaltsrelevantes Einkommen" sind. Beim Oberlandesgericht Bamberg (OLG) landete nun wieder ein Unterhaltsfall mit staatlichen Corona-Hilfen.
Mit seinem aktuellen Beschluss vom März 2022 grenzte das OLG sich zu den Kollegen in Frankfurt ab, die noch vor kurzem eine andere Auffassung vertraten: Einnahmen aus der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) sind als gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen. Denn anders als bei Corona-Soforthilfen, die als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasse nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers - und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona-Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.
Hinweis: Bei der Frage, ob ein tatsächliches Einkommen relevant ist oder ob man mit Dreijahresdurchschnitten arbeitet, kommt es auf die Frage an, ob das Gericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung rückwärts oder vorwärts blicken muss. Geht es um zurückliegende Zeiträume, sind die tatsächlichen Verhältnisse des betreffenden Jahres und Monats relevant - geht es um eine Zukunftsprognose, soll der Durchschnitt von drei bis fünf Jahren eine verlässliche Basis für die Annahmen bieten. Das hatte der Bundesgerichtshof schon im Urteil vom 04.07.2007 (XII ZR 141/05) klargestellt.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 31.03.2022 - 2 UF 23/22(aus: Ausgabe 08/2022)
- Kinder aus lesbischen Beziehungen: Keine Hochzeit, keine Stiefkindadoption, kein Umgangsrecht
Bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und ihren Kindern sieht es nach Trennungen nicht anders aus als bei heterosexuellen: Gegen Zank und Enttäuschung bleibt kein Kraut gewachsen - völlig egal, wer wen liebt oder eben auch nicht (mehr). Und so müssen Gerichte wie das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) sich bei Trennungen Unverheirateter ausschließlich am Kindeswohl orientieren, das in Fällen wie diesem die leibliche Mutter oftmals ganz allein in der Hand hat.
Zwei Frauen liebten sich zehn Jahre lang und setzten ihren gemeinsamen Kinderwunsch so um, dass eine der beiden künstlich befruchtet wurde und das Kind austrug. Eigentlich sollte die zweite Frau das zweite Kind gebären, aber sie entschieden sich dann anders. Wieder wurde die erste Frau befruchtet. Die zweite Frau nahm die Rolle der Co-Mutter ein, von der Begleitung bei den Geburten bis hin zur alltäglichen Fürsorge für die Kinder. Die Kinder nannten die eine "Mama", die andere "Mom". Rechtlich gab es zwischen der zweiten Frau und den Kindern aber kein Band, die Frauen heirateten auch nicht. Das rächte sich bei der Trennung, denn die nicht-leibliche "Mom" wurde aus der Familie ausgegrenzt und verlor den Kontakt zu den Kindern. Die Kinder waren im Laufe des Gerichtsverfahrens nicht bereit, sich auf ein Treffen mit "Mom" einzulassen. Jugendamt und Verfahrensbeiständin sahen einen Loyalitätskonflikt bei den Kindern und empfahlen eine professionelle Umgangsbegleitung zur Abarbeitung.
Das Amtsgericht Freiburg und das OLG jedoch halfen der "Mom" nicht. Aus Rechtsgründen war die "Mom" ja nur eine "sonstige Bezugsperson", kein Elternteil, so dass die "Kindeswohldienlichkeit" des Umgangs positiv vom Gericht hätte festgestellt werden müssen. Obwohl das Gericht den von der "Mama" initiierten Beziehungsabbruch nicht guthieß und ihre Kritik am Erziehungsstil der "Mom" nicht mittrug, kam sie damit im Ergebnis durch. Das OLG sah aufgrund der Verhemenz der Ablehnung der "Mama" keine Chance für kindeswohldienliche Kontakte zur "Mom". Sie sehe ihre Aufgabe darin, die Kinder vor Zusammentreffen mit der "Mom" zu schützen. Das OLG war davon überzeugt, dass die "Mama" im Fall der gerichtlichen Anordnung von Umgangskontakten alles daran setzen würde, diese zu verhindern. Weil es dem Gericht nicht gelungen sei, die "Mama" vom Wert des Kontakts zur "Mom" zu überzeugen, werde sie innerlich sowieso nichts mittragen. Der Loyalitätskonflikt der Kinder werde aber ohne ihre MItwirkung nicht aufgearbeitet, sondern würde bei erzwungenem Umgang noch verschärft. Eine Umgangspflegschaft sei für die Kinder mit der Gefahr von Belastungen verbunden und daher nicht "positiv kindeswohldienlich".
Hinweis: Hätten die Frauen geheiratet, und die "Mom" hätte die Stiefkinder adoptiert, wäre die Rechtslage deshalb eine andere gewesen, weil dann die Umgangskontakte grundsätzlich als kindeswohldienlich gegolten hätten.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.06.2022 - 18 UF 22/22(aus: Ausgabe 08/2022)
- Kranke Kaninchen: Tierarztkosten sind nicht unterhaltsrelevant
Die Haltung von Kaninchen in überschaubarer Anzahl scheint nicht gerade als Luxus einzuordnen zu sein. In Trennungsfragen geht es aber ums Detail, wie in so vielen gerichtlichen Fragen. Und so musste das Oberlandesgericht Brandenburg sich im folgenden Fall mit der Haltung und dem Unterhalt von zwei Kaninchen beschäftigen, deren Erkrankung einen Mann gegen seine (Ex-)Frau um Trennungsunterhalt prozessieren ließ.
Die beiden betreffenden Mümmelmänner waren im Zuge der Trennung beim Ehemann in der Wohnung geblieben und kosteten diesen angeblich monatlich rund 120 EUR. Der Ehemann hatte diese Höhe nicht plausibel nachgewiesen, aber nicht allein das führte dazu, dass er den Betrag nicht unterhaltsmindernd abziehen durfte. Die Ehefrau hatte nämlich angeboten, die Kaninchen zu übernehmen und ihrerseits dann keine Kosten geltend zu machen. Dass der Ehemann dieses Angebot nicht annahm, sei "wirtschaftlich unvernünftig", und sein Festhalten an den Tieren sei angesichts der insgesamt beengten finanziellen Verhältnisse "unterhaltsrechtlich unbeachtlicher Luxus". Und eben solche Luxusausgaben könnten dem anderen nicht als Abzugsposten entgegengehalten werden. Eine Gleichstellung mit einem für gemeinsame Kinder zu zahlenden Unterhalt sieht das Gesetz nicht vor. Die weiteren Argumente des Mannes, dass einem blinden Kaninchen kein Umzug zuzumuten sei oder dass die Tiere es bei ihm besser hätten als bei der Frau, waren auch nicht entscheidungserheblich.
Hinweis: Familiengerichte haben recht häufig auch mit tierischen Hausgenossen zu tun. Allerdings gibt es für Hunde, Katzen und andere Haustiere weder Sorge- noch Umgangsrecht, da auf sie die Gesetze wie auf Gegenstände angewendet werden. Sind sie in der Ehe angeschafft worden, gelten sie - bis zum Beweis des Gegenteils - als gemeinsames Eigentum und werden nach den Regeln über Haushaltsgegenstände verteilt.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.05.2022 - 13 UF 212/19(aus: Ausgabe 08/2022)
- Nicht schutzlos ausgeliefert: Betreuungsgericht setzt unredlichen Bevollmächtigen ab
Wer mit einer Vorsorgevollmacht jemanden einsetzt, steht einem unredlichen Bevollmächtigten nicht ganz schutzlos gegenüber, wenn er geschäftsunfähig wird. Das ist auch gut so - denn dass auch auch die eigenen Kinder nicht immer ganz so verantwortungsvoll und gewissenhaft mit einer solchen Verantwortung umgehen, zeigt der folgende Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) final zu bewerten hatte.
Nach einem Schlaganfall lebte eine 71-Jährige im Pflegeheim und war nicht mehr geschäftsfähig. Schon einige Jahre zuvor hatte sie per Vorsorgevollmacht und Bankvollmacht ihren Sohn eingesetzt, der ihre Konten verwaltete. Eine ältere Vorsorgevollmacht, in der ihr Sohn gemeinsam mit ihrer Tochter eingesetzt wurde, hatte sie widerrufen. Nun gab es zwischen den Geschwistern Streit: Die Tochter war nicht damit einverstanden, wie ihr Bruder mit dem Geld umging, und beantragte beim Betreuungsgericht eine Überprüfung der Vollmacht. Das Betreuungsgericht stellte in der Tat fest, dass der Bruder etliche unerklärliche Abhebungen von den Konten gemacht hatte und womöglich vom Geld der Mutter lebte. Sein Vorhaben, die Mutter aus dem Heim zu holen und für sie Pflege zuhause zu organisieren, sei finanziell motiviert und nicht am Wohl der Mutter orientiert. Und so setzte das Betreuungsgericht den unredlichen Sohn als Bevollmächtigen ab.
Hinweis: Eine Betreuung kann trotz Vorsorgevollmacht erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, beispielsweise wegen Bedenken an seiner Redlichkeit. Dann kann der Betreuungsrichter sogar den geäußerten Willen des Betroffenen übergehen. In vielen solcher Fälle setzt das Gericht einen Kontrollbetreuer oder Überwachungsbetreuer ein, der dem Bevollmächtigten "auf die Finger schaut". Das erschien Amtsgericht, Landgericht und BGH hier aber nicht ausreichend, um den unredlichen Sohn an seinem Tun zu hindern.
Quelle: BGH, Beschl. v. 11.05.2022 - XII ZB 129/21(aus: Ausgabe 08/2022)
- PKH bei ausländischem Wohnsitz: Gericht muss die Kaufkraft aus dem Ausland mit der hiesigen vergleichen
Auch wenn man im Ausland lebt, kann man für einen deutschen Rechtsstreit in Deutschland Prozesskostenhilfe (PKH) bekommen - ein Fall, der besonders in den Grenzregionen besonders häufig auftritt, wie hier beim Familiengericht in Konstanz anlässlich einer dort durchzuführenden Scheidung - der Mann lebte in der Schweiz. In der Schweiz sind zwar die Einkünfte höher, aber auch die Lebenshaltungskosten. Deshalb rügte der Mann zu Recht, dass bei seiner Berechnung die deutschen "Freibeträge" nach § 115 Zivilprozessordnung nicht passen. Der Fall landete schließlich beim Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).
Das OLG verglich dafür beim Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) das Preisniveau der Privathaushalte in Deutschland und der Schweiz. Die knapp 1.500 EUR, die der Mann netto nach Abzug aller relevanten Kosten zur Verfügung hatte, entsprachen in Deutschland demnach einer Kaufkraft von lediglich 945 EUR. Ausgehend von diesen 945 EUR wurde ihm dann für das Scheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe (VKH) mit Ratenzahlungsanordnung bewilligt.
Hinweis: Vor dem Familiengericht heißt es "VKH", diese ist aber inhaltlich identisch mit der "PKH" für Zivil-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.05.2022 - 18 WF 32/22(aus: Ausgabe 08/2022)
- Beeinträchtigt ist beeinträchtigt: Auch bei verschriebenen amphetaminhaltigen Arzneimitteln bleibt fehlende Fahreignung bestehen
Ein Arzt verschreibt Medikamente, die seiner Fachauffassung nach für die adäquate Behandlung seiner Patienten geeignet sind. Das Verkehrsrecht regelt wiederum, unter welchem Einfluss welcher Substanzen das Führen eines Kraftfahrzeugs unzulässig ist. Zwischen beidem steht nicht etwa ein gültiges Verschreibungsrezept, sondern Aufklärung und Eigenverantwortung - so wie im folgenden Fall des Verwaltungsgerichts Koblenz (VG).
Bei einer Verkehrskontrolle stellten Polizeibeamte bei einem Fahrzeugführer drogentypische Ausfallerscheinungen fest. Die toxikologische Untersuchung ergab auch prompt eine Amphetaminkonzentration in dessen Blut. Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis. Hiergegen wandte sich der Mann nun mit einem Eilantrag. Im gerichtlichen Verfahren legte er eine ärztliche Bescheinigung vor, wonach ihm das Medikament "Elvanse" verordnet wurde, das nachweislich einen Wirkstoff aus der Stoffgruppe der Amphetamine enthalte.
Das VG hat den Antrag des Mannes dennoch abgelehnt, die Entziehung der Fahrerlaubnis war rechtmäßig. Denn der Antragsteller hatte sich aufgrund der Einnahme von Amphetamin - einer harten Droge - als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. In der Regel genügt zum Ausschluss der Fahreignung schon die einmalige Einnahme von Amphetamin. Dass das im Blut des Antragstellers festgestellte Amphetamin von einem ärztlich verordneten Medikament stamme, ändert an dieser rechtlichen Bewertung nichts.
Hinweis: Nach der für die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln vorrangigen Sondervorschrift in der Fahrerlaubnis-Verordnung scheidet eine Fahreignung dann aus, wenn eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter dem erforderlichen Maß vorliegt. Die für die Fahreignung bei der Einnahme von Medizinal-Cannabis geltenden Anforderungen sind bei einer Dauerbehandlung mit amphetaminhaltigen Arzneimitteln angesichts der damit einhergehenden Gefahr des Kontrollverlusts und plötzlichen Leistungsabfalls noch enger zu fassen.
Quelle: VG Koblenz, Beschl. v. 19.05.2022 - 4 L 455/22.KO(aus: Ausgabe 08/2022)
- Beschleunigen, Bremsen, Schlingern: Zulässige Anordnung eines ärztlichen Gutachtens bei Diabetes mellitus Typ I nach Fahrauffälligkeiten
Chronische Erkrankungen verursachen neben dem körperlichen Leiden auch Widrigkeiten im Alltag. Doch damit das eigene Leid nicht noch anderen schadet, muss das Gesetz so manches Mal schützend eingreifen. Wer zum Beispiel an Diabetes mellitus Typ I erkrankt ist, so dass es sich auf die Fahrweise auswirkt, muss damit rechnen, ein ärztliches Gutachten einer amtlichen Begutachtungsstelle vorzulegen, um die Fahreignung nachzuweisen. Das bestätigte im folgenden Fall der Verwaltungsgerichtshof München (VGH).
Ein Fahrzeugführer wurde von einer Polizeibeamtin dabei beobachtet, wie er mit seinem Fahrzeug immer wieder mit dem linken Reifen über die Mittellinie der Fahrspur einer Bundesstraße kam und ständig schlingerte. Zudem beschleunigte er aus nicht nachvollziehbaren Gründen von 80 auf 120 Stundenkilometer, um wieder dann auf 80 Stundenkilometer abzubremsen. Da der Fahrerlaubnisbehörde bekannt war, dass der Fahrzeugführer an Diabetes mellitus Typ I erkrankt war, ordnete sie an, dass er ein ärztliches Gutachten vorzulegen habe. Da er dies trotz mehrmaliger Erinnerung nicht getan hatte, entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung. Dagegen erhob der Fahrzeugführer Klage und beantragte Eilrechtsschutz.
Der VGH bestätigte jedoch die Entscheidung der Behörde. Die ausführliche und glaubhafte Zeugenaussage einer Polizeibeamtin über die Fahrweise des Fahrzeugführers habe vor dem Hintergrund seiner dem Landratsamt aufgrund ärztlicher Bescheinigung bereits bekannten Erkrankung einen hinreichenden Anlass begründet, ein ärztliches Gutachten einer amtlichen Begutachtungsstelle von ihm zu fordern.
Hinweis: Gibt es berechtigte Bedenken, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (z.B. ein Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle) anordnen, wenn die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers sprechen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf auf seine Nichteignung geschlossen werden.
Quelle: VGH München, Beschl. v. 08.02.2022 - 11 CS 21.3020(aus: Ausgabe 08/2022)
- Entzug der Fahrerlaubnis: Trunkenheitsfahrten auf E-Scootern haben empfindliche Folgen
Mit der Einführung von E-Scootern war allen - sowohl Bürgern als auch Verkehrsrechtlern - klar, dass damit der altbekannte Kampf um die Vorherrschaft auf öffentlichen Straßen und Wegen einen Mitstreiter mehr gewinnen wird. Und so kam es, wie es kommen musste: Immer mehr Gerichte müssen über Verkehrsverstöße befinden, die von E-Scooterfahrern begangen wurden. Hier war das Amtsgericht München (AG) mit einer Trunkenheitsfahrt und deren Folgen betraut worden.
Im Herbst 2021 fuhr der Angeklagte gegen Mitternacht mit einem E-Scooter auf einer öffentlichen Straße. Dort wurde er von einer Polizeistreife kontrolliert. Aufgefallen war er der Streife insbesondere aufgrund seines rasanten Fahrstils. Die anschließende Blutuntersuchung ergab in der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 1,52 ‰.
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Vor Ablauf von acht Monaten darf dem Angeklagten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden. Elektrokleinstfahrzeuge wie der E-Scooter sind Kraftfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz. Der Angeklagte war daher wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr schuldig zu sprechen. Bei der Strafzumessung sprach zugunsten des Angeklagten, dass er die Tat eingeräumt, sich wegen seines Alkoholkonsums in psychologische Beratung begeben und einen Abstinenznachweis vorgelegt hatte. Ebenso sprach der Umstand, dass er nicht mit einem Pkw, sondern einem wesentlich leichteren E-Scooter fuhr, für den Angeklagten.
Hinweis: Der Angeklagte hat sich durch sein Verhalten als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erwiesen. Ihm musste daher die Fahrerlaubnis entzogen werden. Trunkenheit bei Fahrten mit einem E-Scooter wird also genauso bestraft wie Trunkenheitsfahrten mit einem Fahrrad oder Pkw.
Quelle: AG München, Urt. v. 15.03.2022 - 923 Ds 419 Js 186440/21(aus: Ausgabe 08/2022)
- Erst Hund, dann Frauchen: Geldstrafe für Hundebesitzerin wegen Unfallflucht
Der Spruch "Das letzte Kind trägt Fell" legt nahe, wie hoch der Stellenwert von Hund und Katze hierzulande hängt. Dennoch seien alle Tierliebhaber gewarnt, das fellige Familienmitglied wichtiger einzustufen als ein Unfallopfer, dessen Leid auf eben jenen Vierbeiner zurückzuführen ist. Wer dennoch nicht aus seiner Haut kann, muss mit Konsequenzen rechnen - wie die Hundehalterin vor dem Amtsgericht München (AG).
Ein unangeleinter Hund verursachte den Sturz einer Radfahrerin. Weil die Hundehalterin sich vom Unfallort wegbewegte, ohne sich um die verletzte Radfahrerin zu kümmern und ohne ihre Personalien zu hinterlassen, verurteilte sie das AG folglich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 60 EUR.
Die Angeklagte räumte ihr Fehlverhalten in der Hauptverhandlung vor dem AG ein und erklärte, dass es ihr leid tue, dass der Unfall passiert sei. Ihre Reaktion begründete sie damit, dass sie ihren Hund habe suchen müssen. Dieser sei so panisch gewesen, dass sie Angst gehabt habe, er laufe auf die Straße. Zugunsten der Angeklagten sprach, dass sie die Tatumstände letztlich eingeräumt hatte und bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war. Zudem habe sie ihr Bedauern über die Tatfolgen nicht nur für ihren eigenen Hund, sondern auch für die Geschädigte deutlich zum Ausdruck gebracht - insbesondere mit dem abgegebenen Schuldanerkenntnis über ein Schmerzensgeld von 800 EUR zugunsten der Radfahrerin. Zugunsten der Angeklagten sprach zudem, dass sie sich spontan wegen der Suche nach ihrem abgängigen Hund vom Unfallort entfernt hatte. Wenn dies auch angesichts der erheblichen Verletzungen der zunächst reglos am Boden liegenden, von weiteren Helfern versorgten Geschädigten die Tat nicht rechtfertigt, setze es deren Vorwerfbarkeit doch erheblich herab. Es wäre der Angeklagten durch kurze Angabe ihrer Personalien freilich nicht unmöglich gewesen, wie später geschehen, ihren Hund wiederzufinden.
Hinweis: Das Urteil zeigt, dass man auch als Fußgänger wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt werden kann. Unfallbeteiligter im Sinne des Gesetzes ist jeder, der bei einem Unfall beteiligt ist und hierfür zumindest (mit-)ursächlich geworden ist.
Quelle: AG München, Urt. v. 11.04.2022 - 941 Cs 442 Js 190826/21(aus: Ausgabe 08/2022)
- Lkw-Fuhrpark: Fahrzeughalter haben die Pflicht zur stichprobenartigen Kontrolle der Betriebsfahrzeuge
Wenn der betriebseigene Fuhrpark, dessen Wartung auf eine Fremdfirma ausgelagert wurde, rund 300 Fahrzeuge umfasst, die zum Teil von den Lkw-Fahrern mit nach Hause genommen werden, woraufhin sie die Anweisung erhalten haben, sich regelmäßig vor Fahrtantritt vom ordnungsgemäßen Zustand der Fahrzeuge zu vergewissern - dann sollte man als Chef doch eigentlich fein raus sein, oder? Mitnichten, meint das Amtsgericht Landstuhl (AG), das über die Schuldfrage bei einer motorisierten Rostlaube zu befinden hatte.
Bei einer Lkw-Kontrolle auf einem Parkplatz einer Autobahn wurde an einem Lkw mit Auflieger Flugrost an den Felgen des Sattelanhängers festgestellt. Der Lkw war Teil eines ca. 300 Fahrzeuge umfassenden Fuhrparks einer Firma. Dem Geschäftsführer wurde nunmehr vorgeworfen, die Inbetriebnahme eines Lkw zugelassen zu haben, obwohl die Verkehrssicherheit durch den Verstoß gegen eine Vorschrift über Bremsen wesentlich beeinträchtigt war. Der Geschäftsführer wehrte sich gegen den Vorwurf damit, dass der gesamte Fuhrpark von einer externen Firma gewartet werde. Zudem habe er seine Angestellten angewiesen, vor dem Fahrtantritt die Fahrzeuge zu kontrollieren. Eine eigene Kontrolle sei ihm teilweise nicht möglich, da Fahrzeuge öfters von Mitarbeitern mit nach Hause genommen werden.
Das AG verurteilte den Geschäftsführer dennoch zu einer Geldbuße von 270 EUR. Zu dessen Überwachungspflicht gehöre es, sich durch gelegentliche, auch überraschende Stichproben davon zu überzeugen, dass Weisungen auch beachtet werden. Eine stichprobenartige Kontrolle sei auch dann zumutbar, wenn die Mitarbeiter des Betroffenen die Betriebsfahrzeuge häufig wegen des frühen Dienstantritts mit nach Hause nähmen und ihre Fahrten nicht vom Betriebsgelände aus antreten. Der Geschäftsführer muss dann eben den Fahrzeugzustand stichprobenartig bei der Anfahrt zum Betriebsgelände, bei der Abfahrt zu einem Auftrag oder am Abstellort des Fahrzeugs überprüfen. Dieser Pflicht sei der Mann nicht nachgekommen.
Hinweis: Zur Überwachungspflicht gehört es, sich durch gelegentliche, auch überraschende Stichproben davon zu überzeugen, dass Weisungen auch beachtet werden. Der Betroffene ist verpflichtet, den Fahrzeugzustand gegebenenfalls stichprobenartig bei der Anfahrt zum Betriebsgelände oder bei der Abfahrt zu einem Auftrag oder eben am Abstellort des Fahrzeugs überprüfen.
Quelle: AG Landstuhl, Urt. v. 15.03.2022 - 2 OWi 4211 Js 1018/22(aus: Ausgabe 08/2022)
- Auf mobiler Treppe gestürzt: Auch bei Stürzen ohne erkennbaren Grund haftet laut EuGH die Fluggesellschaft
Bei Stürzen und darauf gerichteten Klagen ist immer die Frage, ob entweder die sogenannte Verkehrssicherungspflicht oder aber die gebotene Vorsicht verletzt wurde. So war auch im folgenden Fall der zu klärende Punkt, ob eine Fluggesellschaft allein haftet, wenn eine Flugreisende beim Ausstieg auf einer mobilen Ausstiegstreppe ohne ersichtlichen Grund stürzt. Die Feinheiten musste - nach Vorlage eines österreichischen Gerichts - vorab der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter die Lupe nehmen.
Eine Passagierin war mit Austrian Airlines nach Wien geflogen. Beim Aussteigen auf einer mobilen Treppe stürzte sie ohne feststellbaren Grund. Deshalb verlangte sie von Austrian Airlines Schadensersatz. Das österreichische Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob ein solcher Sturz einen Unfall nach dem Recht über die Beförderung im internationalen Luftverkehr nach dem Übereinkommen von Montreal darstellt.
Der EuGH urteilte, dass der diesbezügliche Art. 17 Abs. 1 dahingehend auszulegen ist, dass eine Situation, in der ein Fluggast aus unbestimmtem Grund auf einer für den Ausstieg der Fluggäste eines Flugzeugs bereitgestellten mobilen Treppe stürzt und verletzt wird, unter den Begriff "Unfall" im Sinne dieser Bestimmung fällt. Das Luftfahrtunternehmen haftet, sofern es nicht nachweisen kann, dass eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung des Fluggasts vorliegt. Das heißt, solange kein direkter persönlicher Beitrag nachweisbar ist, der zum Sturz führte, muss die Fluggesellschaft haften. Inwieweit, muss nun das österreichische Gericht feststellen. Die Frau hatte sich zwar nachweislich nicht an den Handläufen abgesichert, aber auch ein minderjähriges Kind dabei, um das sie sich gekümmert hatte. Ebenfalls ist bei der Höhe der noch zu ermittelnden Entschädigungsleistungen zu berücksichtigen, dass die Reisende zunächst darauf verzichtet hatte, sich unmittelbar nach dem Unfall in Behandlung zu begeben, was unter Umständen zu einer Verschlimmerung der Schäden geführt haben könne.
Hinweis: Der EuGH hat den nationalen Gerichten hiermit weise Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Eine Haftung liegt grundsätzlich vor - es müssen aber auch alle entlastenden Tatsachen berücksichtigt werden.
Quelle: EuGH, Urt. v. 02.06.2022 - C-589/20(aus: Ausgabe 08/2022)
- Bestattung in Ost- statt Nordsee: Fehlerhafte Durchführung einer Beisetzung kann Schmerzensgeldforderungen nach sich ziehen
Unter dem Motto "Augen auf bei der Berufswahl" mag wohl niemand so schnell auf den Gedanken kommen, dass man stabile Erdkundekenntnisse aufweisen können sollte, wenn man plant, Bestatter zu werden. Doch bedenkt man, dass so mancher Mensch seine letzte Ruhestätte dort haben möchte, wo er seine schönste Zeit verbracht hat, sieht das Ganze womöglich schon anders aus - und so führte ein geographisches Missverständnis zwei Parteien vor das Oberlandesgericht Hamm (OLG).
Ein Bestattungsunternehmen war von einer Witwe mit der Einäscherung und anschließenden Urnenseebestattung ihres Ehemanns beauftragt worden: Der Verstorbene wollte gerne in der Nordsee bestattet werden. Das Bestattungsunternehmen machte jedoch einen Fehler: Es bestattete den verstorbenen Ehemann in der Ostsee und nicht in der Nordsee. Daraufhin verlangte die Ehefrau des Verstorbenen ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 EUR. Sie behauptete, sie habe aufgrund des fehlerhaften Bestattungsorts ein Psychotrauma entwickelt und leide seitdem an Schlafstörungen, Bluthochdruck und Depressionen.
Das OLG hatte auf Grundlage eines Gutachtens sowohl die Depression als auch die Schlafstörungen als kausale Folge der Pflichtverletzung des Bestattungsunternehmens anerkannt. Demgegenüber war es nicht davon ausgegangen, dass auch eine akute Belastungsreaktion sowie Bluthochdruck auf die fehlerhafte Durchführung der Bestattung zurückgeführt werden könne. Deshalb erhielt die Frau 2.500 EUR Schmerzensgeld. Es lag zwar durchaus ein fahrlässiges Verhalten des Bestatters vor - ein Schmerzensgeld habe aber nicht die Funktion, einen "Denkzettel" zu verpassen.
Hinweis: Das OLG zeigt deutlich auf, wo die Grenzen des Schmerzensgeldes zu finden sind. Außerdem werden dort, wo Menschen arbeiten, Fehler gemacht.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 15.03.2022 - 21 U 170/21(aus: Ausgabe 08/2022)
- Die Katze unterm Sofa: Ein Biss bleibt ein Biss - die Versicherung muss zahlen
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich im Folgenden um einen Fall aus dem Februar 2014 kümmern, in dem ein Mann immer noch auf Schmerzensgeld infolge eines Katzenbisses hoffte. Dieser Biss stand zwar nicht in Zweifel, doch wieder einmal war es die Zahlungsverweigerung einer Versicherung, die das Ganze erst in die Länge und schließlich vor den BGH zog.
Das war geschehen: Ein Mann war von einer Katze in die Hand gebissen worden. Er behauptete, die Katze gehöre einer Bekannten, und als er mit seiner Hand unter die Schlafcouch gegriffen habe, um diese zusammenzuschieben, habe die Katze zugebissen. Sie habe noch an seiner Hand gehangen, als er diese hochgehoben habe. Deshalb wurde er wegen einer starken Entzündung sechsmal operiert. Schließlich klagte er Schmerzensgeld und Schadensersatz ein. Die zuständige Versicherung jedoch muckte und zog die Schilderungen des Klägers in Zweifel. Wie und wann eine Katze in welcher Art zubeiße, war unter anderem Gegenstand vor den Instanzen.
Der BGH urteilte nun, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch erfüllt waren. Ob die Katze unter dem Tisch oder unter dem Sofa lag, vor Schreck oder aus Aggression zubiss, und ob der Mann das Sofa angehoben habe oder lediglich habe anheben wollen, war in diesem Zusammenhang völlig irrelevant. Der Geschädigte muss nicht den exakten Hergang des Unfalls beweisen, da ja unstreitig war, dass er tatsächlich von der Katze in der Wohnung gebissen worden war. Allerdings hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Hinweis: Steht also eindeutig fest, dass ein Tier zugebissen hat, ist das als unstreitig anzusehen. In diesem Fall sind Schadensersatz und Schmerzensgeld zu leisten.
Quelle: BGH, Urt. v. 26.04.2022 - VI ZR 1321/20(aus: Ausgabe 08/2022)
- Knochenbrüche durch Getränkepfütze: Diskothekenbetreiber muss dafür sorgen, dass die Tanzfläche möglichst frei von Gefahren ist
Ob Diskothek oder Club - Jubel, Trubel, Heiterkeit sorgen in den Tanztempeln jeglicher Coleur für ausgelassene Stimmung. Da ist es nur eine logische Folge, dass der eine oder andere Drink daneben geht. Wie es sich aber mit den Folgen eines verschütteten Getränks verhält, sobald jemand auf der nassen Hinterlassenschaft ausrutscht, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) konkretisieren.
Eine junge Frau rutschte am Rande der Tanzfläche einer Diskothek auf einer Getränkepfütze aus und zog sich dabei Knochenbrüche am Sprunggelenk und am Schienbeinkopf zu. Sie hielt sich daraufhin zwei Wochen im Krankenhaus auf und wurde dort mehrfach operiert. Nun verlangte sie von dem Betreiber der Diskothek Schadensersatz.
Das OLG sprach ihr insgesamt fast 37.000 EUR zu, denn es waren die Behandlungskosten und das Krankengeld zu erstatten. Der Betreiber einer Diskothek muss dafür sorgen, dass die Tanzfläche möglichst frei von Gefahren für die Gäste ist. Dazu gehört es, dass die Tanzfläche regelmäßig durch einen Mitarbeiter abgegangen und auf Getränkepfützen sowie Scherben kontrolliert wird. Das kann nach dem OLG zwar nicht bedeuten, dass ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche läuft, um Getränkepfützen oder Scherben zu beseitigen - eine effektive Kontrolle des Fußbodens in gewissen Zeitabständen ist jedoch notwendig.
Hinweis: Es ist bei derartigen Unfällen wichtig, Beweise zu sichern. Das ist natürlich umso schwieriger, je schwerwiegender die Verletzung ist. Trotzdem kann sich vielfach gerade so etwas wie ein feuchter Fußboden im Nachhinein nur sehr schwer beweisen lassen.
Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.03.2022 - 7 U 125/21(aus: Ausgabe 08/2022)
- Schwellenwert unterschritten: Prämienanpassung eines privaten Krankenversicherers trotz unwirksamer Prämienanpassungsklausel
Alles wird teurer - auch die Gesundheitsvorsorge. In dem folgenden Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging, wollte sich ein Mann gegen Beitragserhöhungen seiner privaten Krankenversicherung wehren. Zwar lag der Kläger dabei nicht ganz falsch, Glück hatte er mit der Entscheidung jedoch nicht. Lesen Sie selbst.
Der Mann war privat krankenversichert. In der Jugend war das günstig, im Alter wurden die Beiträge immer höher. Schließlich war er mit mehreren Beitragserhöhungen nicht einverstanden und hielt sie für unwirksam. Daher klagte er auf Rückzahlung der erhöhten Beiträge.
Der BGH urteilte tatsächlich, dass ein Teil der Prämienanpassungsklausel in den Tarifbedingungen des Versicherers zwar unwirksam war - dennoch hatte der Versicherte hier Pech. Denn die hier anzuwendende Klausel wich nicht von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Das Versicherungsunternehmen hat also mit sehr viel Glück gewonnen. Eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung war in § 8b Abs. 1 Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers enthalten: Dies betrifft Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten wird.
Hinweis: Trotz des Urteils lohnt es sich stets, Beitragserhöhungen der Krankenkasse durch einen versierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Und die nächsten Beitragserhöhungen werden mit Sicherheit kommen.
Quelle: BGH, Urt. v. 22.06.2022 - IV ZR 253/20(aus: Ausgabe 08/2022)